Karfreitag Es war früh, als der Wecker klingelte. Ich war verabredet. An einem schmucken kleinen Hafen im Osten Frankreichs, mitten im Elsass. Ich nahm noch einen Schluck aus meiner Kaffeetasse, überprüfte alle Schalter und Anschlüsse in den Zimmern, drückte den Kühlschrank fest an und brachte den Müll raus. Was man eben so macht, wenn eine Reise bevorsteht und man die Wohnung für eine Weile sich selbst überlässt. Auch bei diesmal nur kurzer Reisedauer und Anreise: wohlige, wohlbekannte und wohlgewollte Urlaubsnervosität stellte sich ein.
Tag 1 – Hausbootfahrt von Lutzelbourg nach Xouxange
Wie bestellt und nicht abgeholt
Locaboat Basis Lutzelbourg
Am idyllischen Locaboat Hafen in Lutzelbourg traf ich auf meine Mannschaft. 3 Männer im Alter von 36, 6 und 8 Jahren, die bereits am Vorabend unser Boot, die Pénichette 1165 Flying Bridge (mit Innen- und Aussensteuerstand) namens „Waltenheim“ übernommen und die erste Nacht an Bord ganz ohne Meuterei bewältigt hatten. Ich selbst konnte aufgrund von Terminen erst heute früh hinzustoßen. Schön, dass Locaboat die Anreisezeit und Übernahme so flexibel handhabt. Nach Bootseinweisung und Formalitäten an der Basis testeten wir unsere Leihfahrräder, fuhren zum kleinen Geschäft, der epicerie, um Trinkwasser in Flaschen zu kaufen. Die Fahrräder wurden wieder an Bord gehievt und kurz darauf verließen wir auch schon den Hafen und steuerten uns selbstständig in Richtung Nancy.
Schiffshebewerk Arzviller
Nach drei Schleusen kam schon das berühmte Schiffshebewerk Arzviller auf uns zu. Ein Trog, der die alte Schleusenkette von 17 einzelnen Schleusen ersetzt, und die Boote seit 1969 seitlich den Berg hinauf-bzw. hinabbringt. In seiner Art ist er weltweit einzigartig und damit sehr beeindruckend. Das Signal auf Grün fuhren wir ehrfürchtig vor. Nur um festzustellen, dass uns niemand Beachtung schenkte. Wir drehten ein paar planlose Runden im Becken. Irgendwann, in der Vermutung, die Sache vielleicht falsch anzugehen, riefen wir zunächst direkt beim Schiffshebewerk an, wo aber niemand das Telefon abhob. Unser Anruf im Locaboat Hafen wurde zwar freundlich entgegengenommen, jedoch konnte man aus der Entfernung keine Analyse machen. Den Tipp „weiteres Warten“ befolgten wir also einfach. Wir warteten und tatsächlich: schließlich erbarmte sich der Trog, Fahrt aufzunehmen und den Berg hinabzukommen. Der anwesende VNF – Voie Navigable France-Angestellte entschuldigte sich für die Wartezeit, es gab augenscheinlich eine kleine Panne. Und leider, leider hätte nun auch erstmal das gleich um die Ecke kommende kommerzielle Passagierboot Vorrang. Da war es auch schon, wurde aber gern von uns vorgelassen. Denn so konnten wir einmal das gesamte Manöver begutachten und zudem eifrig Fotos knipsen. Der Trog fuhr bergauf, der Trog fuhr bergab, und nun waren wir an der Reihe. Unser 8-jähriger eifriger Smutje schwang im Wettstreit mit dem Nachbarboot lässig und gekonnt das Seil nach Cowboyart über den Poller. Er fühlte sich schon jetzt so seemännisch, dass er das Seil mit wahrer Knotenkunst festmachte. Zum Erstaunen unseres unwissenden Kapitäns, den das Seil prompt bei der Ausfahrt aus dem Trog hinderte. Der Kapitän reagierte etwas verschnupft, gerne wäre er, beobachtet von einer etwa 8 Personen umfassenden Zuschauermenge, kunstvoller aus dem Trog herausgefahren. So musste er sich einmal kurz vom Hintermann belehren lassen und wies die Mannschaft nochmal ein. Doch generell klappte es ziemlich gut mit uns vieren. Und schließlich ist noch keine Mannschaft vom Himmel gefallen. Selbst die anstehende Tunneldurchquerung gelang gut und wir erreichten unser Ziel für die erste Nacht.
Xouaxange am Abend
Die Fahrt führte die Mannschaft in den unaussprechlichen Ort Xouxange, der aber gar nicht so sperrig wie sein Name anmutete. Mit der Aussicht auf ein frisches Baguette am Morgen machten wir hier am Ufer fest und verbrachten einen Abend im schönsten Sonnenuntergang, mit den stillsten Wasserspiegelungen, die man sich vorstellen kann. Kaum war die Sonne weg, tat es ihr die Mannschaft gleich. Bootfahren, die viele frische Luft und das Licht machen müde, und die Kojen der Pénichette Flying Bridge lockten mit kuscheliger Wärme.
Tag 2 – Hausbootfahrt von Xouxange in den Saar-Kohle-Kanal
Sprachmittel und Sonnenbrandgefahr
Xouaxange am Morgen
Man hat im Ausland ja immer gleich dieses Gefühl, so völlig auf sich allein gestellt zu sein. Dass dem nicht so ist, merkten wir schnell. Noch sehr abenteuerlich gestimmt begab ich mich morgens auf Erkundungstour. Wo versteckte sich der Bäcker? Ich marschierte die Straße hoch, hielt mich links, ging über die Brücke, gleich wieder rechts. Meine Nase trügte tatsächlich nicht, doch von einem Bäcker war erst einmal nichts zu sehen. Stattdessen ein arbeitender Mann in einer Scheune. In schönstem Französisch sprach ich ihn höflich an: „Bonjour, Monsieur. Je cherche la boulangerie“. Nur um nach kurzem Wortwechsel zu merken, dass er neben Französisch auch Deutsch perfekt beherrschte. So ließ sich umso leichter herausfinden, dass es einen Bäcker in Xouaxange zwar nicht gibt, jedoch auf Wunsch gleich nebenan im Restaurant ein paar Brötchen, Croissants, Pain au Chocolat oder Rosinenschnecken aufgebacken werden können. Einfach klingeln. Ich gab meine Bestellung auf und versprach in 15 Minuten wiederzukommen. Schon von der Brücke aus sah ich, dass eine andere Pénichette auf der gegenüberliegenden Uferseite Halt gemacht hatte. An Bord eine junge deutsche Besatzung aus acht augenscheinlich fröhlich gestimmten Männern. Das Boot wirkte gemütlich: eine Pénichette vom Typ Terrasse, Klappstühle draußen und mit Musik beschallt. Bestückt mit Bierkästen hatte man(n) bestens vorgesorgt. Und das war ratsam, wie wir noch merkten.
Gouaxange
Nach dem Frühstück ging es weiter in den ähnlich unaussprechlichen Ort Gouxange. Hier wollten wir unsere Vorräte aufbessern. Nach kurzer Fahrradtour erkannten wir jedoch, dass der kleine Supermarkt im Ort für die nächsten Tage einen Umbau vorsah und geschlossen blieb. Zum Glück hatten wir genügend zu Essen dabei, wenn auch nicht vom Feinsten „wie Gott in Frankreich“. Immerhin: Wasser gab es im Restaurant am Campingplatz in 1,5 Liter Flaschen zu kaufen. Dazu eine Auswahl an Snacks. Nach einem Fußball Match (Herren) und einer Siesta in der Sonne auf der Parkbank (Dame), machten wir das Boot klar und lenkten als nächstes in den Saar-Kohlen-Kanal hinein.
Saar-Kohle-Kanal
Von einer früheren Bootsfahrt her hatte ich diese vage Erinnerung an ein kleines Feriengebiet, an einem See gelegen, und wir machten uns auf die Suche. Noch vor der Schleuse parkten wir das Boot, schwangen uns auf die Fahrräder und fuhren durch den Wald direkt auf einen Campingplatz zu. Ja, da war der nette Ort, den ich gesucht hatte! Wer abends kommt kann hier im Restaurant in geselliger Atmosphäre essen. Wer tagsüber kommt, so wie wir, kann ein paar rostige aber lustige Spielgeräte nutzen, angeln, sich sonnen, eine nette und entspannten Urlaubsstimmung genießen. In dieser Gegend und insbesondere entlang des Kanals haben viele Deutsche und Schweizer ihre Ferienhäuschen, was sich anhand von Namens- und Autoschildern offenbarte.
Nacht mit Strom im Hafen
Wir beschlossen, diesen zweiten Abend mal nicht in freier Natur zu verbringen, sondern von einem Stromanschluss zu profitieren (den wir nicht unbedingt gebraucht hätten, hätten wir an einen USB Adapter Typ Zigarettenanzünder gedacht, mit dessen Hilfe während der Fahrt 12 Volt Bordstrom genutzt werden kann, zum Aufladen von Kameras und Handy). Wir fuhren den Kanal ein Stück zurück, sozusagen von der Schleuse weg. Im Hafen fanden wir auch sogleich einen Platz und begeisterten uns für den angrenzenden See. Hier entzündeten wir ein kleines, sicheres Feuerchen, nahmen einen Sundowner in Form eines Gläschens Wein zu uns, grillten Marshmallows am Stock. Zurück auf dem Boot, es wurde schon dunkel. bemerkten wir erstmals, dass kein Strom aus dem Anschluss kam, und zwar aus keiner der vielen Buchsen. Ein Arbeiter der benachbarten Bootsfirma war um diese späte Uhrzeit noch im Einsatz und lud uns ein, den Steg zu wechseln und uns bei ihm mit Strom zu versorgen. Nett gesagt, gleich getan.
Tag 3 – Hausbootfahrt vom Saar-Kohle-Kanalbis kurz vor Lutzelbourg
Knapp davor ist auch vorbei
Rückfahrt und Osterüberraschung
Den letzten, heute nässlich-trüben Tag nutzten wir für den Rückweg nach Lutzelbourg. Diesmal steuerte der bereits sehr erfahrene Kapitän unsere Flying Bridge locker und zügig vom Innensteuerstand aus und benötigte für den richtigen Durchblick einzig und allein ein Wischtuch gegen beschlagene Scheiben. Alles klappte wie am Schnürchen und die Kinder waren mit einem kompletten Tag unter Deck, und dem Winken aus dem Bootsinneren heraus, recht zufrieden. Das Wetter hatte nur leider dem Osterhasen einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht, der eigentlich heute über das Boot hoppeln wollte. Aber wie durch ein Wunder tauchten ab und an auf dem Boot immer mal wieder kleine Ostereier auf. Besonders gehäuft nach Durchfahrt der nur in sanftes Licht gehüllten Tunnel. Die Begeisterung darüber war bei den zwei, eigentlich doch gar nicht mehr an Osterhasen glaubenden, Jungs sehr groß.
Alte Schleusentreppe
Nachdem wir das Schiffshebewerk im Trog wieder hinabgefahren waren, wollten wir uns die alte Schleusentreppe ansehen. Ein ausgebauter Weg führt direkt entlang der teils zerfallenen Schleusenhäuschen, ein Steg mitten durch den alten Kanal. So lassen sich aus nächster Nähe historische Schleusenteile betrachten. Sehr sehenswert. Viele französische Familien waren unterwegs, nutzten den Weg für einen Spaziergang. Gut in Schuss und dennoch „sauvage“ (wild) wie in alten Zeiten, wie mir eine Vorbeigehende stolz erklärte. Durch diesen lohnenswerten Ausflug hatte sich unser Timing etwas nach hinten verschoben. Und so klappte es gerade noch mit der Durchfahrt von zwei der drei Schleusen. Die Dritte wollte uns einfach nicht mehr durchlassen, es war schon zu spät. Den Locaboat Hafen in Sichtweise waren wir angehalten, die letzte Nacht noch einmal in freier Wildbahn zu genießen.
Tag 4 – die letzten 100 Meter
Fazit zum Hausboot-Oster-Urlaub
Rückkehr und Bootsabgabe
Um 7 Uhr machte die Schleuse auf, um 8 Uhr fuhren wir hindurch und hatten so noch eine Stunde Zeit für das Betten abziehen, Geschirr waschen und einräumen, Müll entsorgen, Kühlschrank leeren und Taschen von Bord bringen. Wir meldeten unser erfolgreiches Zurückkommen an der Rezeption, parlierten noch kurz über das überraschend tolle Wetter, kauften einen Adapter als Andenken und für zukünftige Hausbootfahrten, genau wie einen pfiffigen USB Stick in Pénichette-Form. Der Urlaub im Elsass endete für uns mit einem großzügigen Frühstück in der boulangerie von Lutzelbourg und einem Besuch des roten Schlosses Haut-Barr oberhalb von Saverne.
Fazit zum Hausboot fahren an Ostern, Reisetipps & Hausboot-Geboote
- Lasse dich nie von Wettervorhersagen abschrecken, es kommt immer anders. Trotz schlechtester Prognosen genossen wir tagsüber Sonne und kamen gerade so eben um einen Sonnenbrand herum. Nachts war es wohlig warm dank Ölheizung der Pénichette Flying Bridge.
- Die Kanäle sind Ostern angenehm leer, auch am Schiffshebewerk mussten wir nicht warten (bzw. wenn, dann nur aufgrund einer kleinen Panne)
- Sehr viele Franzosen in dieser Gegend sind zweisprachig, und man muss somit keine Angst vor Sprachbarrieren haben
- Entgegen unserer Erwartung gab es an der Basis kein Wasser zu kaufen. Die Versorgung mit Alltäglichem ist in der Gegend in Richtung Nancy zunächst eher gering. Also gut eindecken, spätestens im Lebensmittelgeschäft „Epicerie“ in Lutzelbourg Wasser kaufen. Das Frischwasser auf dem Boot ist für Kochen, Zähne putzen, Tee und Kaffee durchaus ok, aber kein ideales Trinkwasser und: man bekommt viel Durst, es wird viel getrunken im Laufe eines Tages an Bord!
- Die Fahrradmitnahme ist eine gute Idee, um zu Läden und Restaurants zu gelangen und deutlich mehr zu sehen von der Gegend abseits des Ufers. Die Fahrräder von Locaboat waren top in Schuss, mit einer leicht zu bedienenden Gangschaltung und auf jede Größe einstellbar, sogar mit Fahrradkorb ausgestattet. Auch die knallroten Kinderfahrräder kamen prima an.
- Kinder lieben Hausbootfahren. Gemeinsam mit den Eltern ein Abenteuer erleben, sich einbringen, kleine Herausforderungen meistern, viel Natur um sich haben, die gemütlichen Kojen und den Stauraum neben den Betten nutzen: Auf einem Hausboot gibt es viel zu entdecken und das Hausbootleben scheint eine eigenartig beruhigende Wirkung zu haben. Plötzlich werden mit Eifer Betten bezogen, wird der Tisch gedeckt, die Spielsachen sorgsam verstaut. Die Pénichette bezaubert mit ihrem Charme Groß und Klein!
- Hausbooturlaub ist für eine Familie preislich nicht unbedingt günstig. Doch Ostern liegt zumeist in der billigsten Saisonzeit und das gemeinsame Erlebnis bleibt lange in Erinnerung. Gerade bei Kindern. So ist bei uns bereits eine kleine Pénichette-Ostertradition entstanden, auf die sich jedes Jahr alle wieder freuen. Bis zum nächsten Jahr! On se revoit à bord