Die Schleusenkette von Fonsérannes am Canal du Midi

Einer der legendärsten und zweifellos einer der ältesten Wasserwege der Welt ist der Canal du Midi, und wir haben uns darauf gefreut, ihn zu entdecken. Kurz vor dem Mittagessen erreichen wir die berühmte Schleusentreppe von Fonsérannes in Béziers an und reihen uns in eine Schlange von drei am gekrümmten rechten Ufer wartenden Booten ein. Wir machen an einem passenden Baum fest (Klampen sind nicht vorhanden) und essen schnell eine Kleinigkeit, dann gehen wir den Weg am Ufer entlang, um einen Blick auf die vor uns liegende Aufgabe zu werfen – ist man gewarnt, ist man gewappnet.

Fünf verbundene ovale Schleusenbecken führen nach oben, und Zuschauer versammeln sich bereits auf beiden Seiten, um die Durchfahrt der Boote zu beobachten. Zwei Schleusenwärter tauchen auf, denen wir ein paar Fragen stellen: Wann werden wir die Schleusen passieren können? Wie viele Boote auf einmal? Wie lange dauert es? Es stellt sich heraus, dass vier recht große Hausboote auf einmal in eine Schleuse passen, sodass alle vier zusammen nach oben gelangen, was etwa 30 Minuten dauert. Von oben kommende Boote müssen warten, bis wir oben angekommen sind, um dann ihrerseits die Durchfahrt nach unten anzutreten.

Als wir an der Reihe sind, bleibe ich am Ufer. Unser Boot fährt als letztes in die Schleuse ein. Es scheint nicht genügend Platz vorhanden zu sein, was auch stimmt, bis der Schleusenwärter die beiden vorderen Boote bittet, loszumachen und weiter vorzufahren.

Unsere Zwei-Mann-Technik besteht darin, dass ich am Ufer bleibe und zuerst die Bugleine fange, die ich lose um einen Poller binde. Dann wirft der Kapitän die Heckleine, die ich um den zweiten Poller lege und direkt zurückwerfe, um dann zur Bugleine zurückzukehren, die ich halte und reguliere, während sich die Schleuse zu füllen beginnt. Somit haben wir jeder eine Leine und so weit so gut. Die anderen Boote sind bereit, sehen zu und warten auf uns – ausgenommen die seltsame Gruppe deutscher Männer auf dem Boot neben uns, die eifrig geradeaus starren und alle und einander ignorieren. Seltsam – schließlich sitzen wir alle im selben Boot!

Schließlich öffnen sich die Schleusentore und spritzen dabei Wasser in einer Bugwelle hoch in die Luft, die beinahe in einer Kaskade in das backbord vor uns liegende Boot herabstürzt. Die beiden vorderen Boote stehen nun extrem unter Druck, wobei sich die Ehefrau und die Freundin abmühen, die Leinen gespannt zu halten (sie lockern sich, während die Boote steigen) und der Ehemann und der Freund Bugstrahlruder und Motoren einsetzen, um die Boote in Position zu halten.

Endlich ist die Schleuse voll – das hat Spaß gemacht – und unsere Boote fahren aus. Eine Rangordnung bildet sich heraus, die wir den ganzen Weg nach oben beibehalten. Boot 1 (Ehefrau) wirft die Leinen zurück an Bord, aber das ist gar nicht nötig. Sie kann sie behalten und am Ufer neben dem Boot weiter zur nächsten Schleuse gehen. Boot 2 (Freundin) bemerkt dies und steigt die Stufen zur nächsten Schleuse empor, während sie die Leine abrollen lässt und dann befestigt. An dieser Schleuse befinden sich die Poller in einer etwas anderen Position, sodass wir überlegen müssen, welche wir am besten nutzen, um das Boot längsschiffs zu halten. Wieder bittet der Schleusenwärter die vorderen Boote vorzufahren, damit wir uns hineinquetschen können. Die Tore schließen sich hinter uns. Die Leinen des Bootes der Freundin sind sehr lang und verheddern sich ziemlich, als sie von einem Poller zum anderen wechselt.

Und so geht es weiter, auch die Zuschauer kommen mit, machen Fotos und stehen im Weg, während wir neben unseren Booten her die Stufen hinaufsteigen, Leinen werfen und uns gegenseitig helfen, wenn einer nicht fängt oder Korrekturen notwendig sind. Jedes Boot hat eine eigene Technik. Herman benutzt den Bootshaken, um seiner Crew eine Seilschlaufe anzureichen, während die Ehefrau und die Freundin immer noch unentschlossen sind, welche Methode für sie die beste ist. Während wir darauf warten, dass sich die Schleuse füllt, berichtet mir die Ehefrau, dass sie aus Texas komme und die französischen Kanäle erkunde, bevor es weiter nach Alicante in Spanien zum Verwandtenbesuch gehe. Sie erklärt, sich bestens zu amüsieren. Das ist gut, denn ich bin mir nicht sicher, ob das auch auf Herman zutrifft.

Ich stelle fest, dass ich vergessen habe, meine Handschuhe anzuziehen – unsere Leinen sind nicht mehr weich – und meine Hände brennen. Die Sonne ist sehr heiß und ich drehe mich häufig, um einen Sonnenbrand auf den Unterarmen zu vermeiden. Der feine Kies an den Ufern gerät in meine Sandalen und überall ist Staub. Aber der Kapitän lächelt weiter und der Hund faulenzt an Deck und als wir oben ankommen, stellt sich ein allgemeines Erfolgserlebnis ein. Wir haben unsere Lektionen gelernt und unsere Aufgabe gut gemeistert. Mit einem Gefühl der Selbstzufriedenheit begeben wir uns auf den langen schleusenfreien Weg nach Homps und winken den Booten zu, die darauf warten, nach unten zu gelangen. Nur noch ein paar Kilometer bis zu unserer letzten Anlegestelle für heute. Zeit für ein schönes kaltes Bier.

DIE AUTOREN

Seit 2003 haben James und Ruth 10000 km der Flüsse und Kanäle Frankreichs an Bord ihres Bootes „Grehan“ erkundet. Sie sind Herausgeber der weltweit beliebtesten Website – www.french-waterways.com – über diese Wasserwege in englischer Sprache mit detaillierten, auf ihren einzigartigen Erlebnissen aus erster Hand basierenden Informationen zu Hausboot- und Bootsurlauben.

 

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